Warum wir endlich aufhören sollten, an unseren Beziehungen zu arbeiten

[xattach=299,'left']Muss man das wirklich?[/xattach]Es ist eine meiner absoluten Lieblings-Mainstream-Bullshit-Aussagen: "An einer Beziehung muss man arbeiten!".


Äußere diesen Satz in einer Talkshow und du bekommst automatisch, obwohl er inhaltlich auf einem Level mit "Zukunft ist gut für alle" steht, tosenden Matrix-Applaus. Von Leuten, die keinen blassen Schimmer haben, warum sie überhaupt klatschen. "Es fühlt sich halt ganz gut an, ich hab´s schon oft gehört, man sagt´s halt so und alle anderen klatschen ja schließlich auch", wäre wohl die ehrlichste Erklärung, die man aber nie bekommen wird. Es ist der gleiche reflexartige Lemming-Applaus, der bei wohlklingenden Wunschdenk-Aussagen wie "Äußerlichkeiten waren mir noch nie wichtig, es zählt nur der Charakter", "Ich könnte niemals fremdgehen", "Mir war schon immer scheißegal, was andere von mir denken" oder "Schwanger zu sein ist sexy" automatisch aufbrandet. Beruhigende Illusionen werden von der breiten Masse immer unangenehmen Wahrheiten vorgezogen.


[h2]Warum soll es schlecht sein, an Beziehungen zu arbeiten?[/h2]
In Wahrheit musst du nur an dir selbst arbeiten. Die Beziehungen (und vor allem die Kommunikation in diesen Beziehungen) fangen dann im Laufe der Zeit und im Zuge deiner Entwicklung automatisch an besser zu laufen. Da das den meisten Leuten in unserer durch die Medien programmierten Fantasy-Welt aber zu stressig ist, wird das Konzept "An Beziehungen arbeiten" gerne einfach kurzerhand als Legitimation benutzt, sich selbst auf die faule Matrix-Haut zu legen und gleichzeitig vom Partner immer mehr von dem einzufordern, was man sich eigentlich mittels Persönlichkeitsentwicklung selbst geben sollte: Liebe, Nähe, Anerkennung, Respekt, Aufmerksamkeit, Dankbarkeit, Sicherheit etc.


[xattach=298,'right']Der gesündere Weg, an einer Beziehung zu arbeiten[/xattach]Am Ende stellen beide Partner (vor allem nachdem die rosaroten Wolken der ersten Kennenlernphase mal abgeregnet sind) immer mehr den unterschwelligen und meistens auch unbewussten Auftrag an den jeweils anderen: "Scheiße, es ist nicht mehr so wie am Anfang, es geht bergab! Wir müssen mehr an unserer Beziehung arbeiten! Das heißt: Tu etwas! Ändere DU dich bitteschön zu meinen Gunsten, während ich mich schön auf die faule Haut lege und die gleichen Verlustängste, Drama-Attacken und Eifersuchts-Orgien an den Tag lege, wie schon in meinen letzten 10 Beziehungen! Gib mir gefälligst - wie am Anfang unserer Beziehung - mehr Liebe, Nähe, Anerkennung etc., sodass ich mich nicht selbst drum kümmern muss. Tu mehr für mich! Sei mehr für mich da! Verbring mehr Zeit mit mir! Lieb mich mehr!" Das Ende ist vorprogrammiert. Anstatt draus zu lernen, wird in den nächsten Beziehungen allerdings wieder und wieder genau das Gleiche versucht. Nur mit noch mehr Kampf. "In Hollywood-Filmen klappt das doch auch Mensch!".


[h2]Eine alternative Sichtweise auf Beziehungen[/h2]
Vielleicht sind Beziehungen in Wirklichkeit gar nicht dazu da, um zu halten, sondern vielmehr um draus zu lernen und aufzuwachen. Mit der Einstellung aus dem obigen Jim Rohn Zitat (siehe zweites Bild in diesem Artikel) könnte das Thema Liebe & Beziehungen in Zukunft zu einem Treibstoff für ein besseres Zusammenleben auf diesem Planeten wachsen, anstatt - wie es bisher eher der Fall ist - als eine der Hauptquellen für Schmerz, Leid und Drama fungieren.


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Kommentare 14

  • "Vielleicht sind Beziehungen in Wirklichkeit gar nicht dazu da, um zu halten, sondern vielmehr um draus zu lernen und aufzuwachen."


    Also das...schält gerade irgendwie eine Schicht von mir. Ich hatte zwar immer wieder mal so Vermutungen in diese Richtung aber komischerweise erst jetzt wo ich diesen Satz gelesen habe und ernsthaft drüber nachgedacht habe, auch rückwirkend meine ex Beziehung mit einfließen lasse, bekomm ich gerade so ein komisches Körpergefühl von Häutung.


    Ist das logisch? Als hätte sich was gelöst oder als wär es im Begriff sich zu lösen.

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    • Wie so ne Schlange wird sich hier gehäutet. Ist doch gut :thumbsup: Beziehungen kommen und gehen. Solange draus gelernt wird, ist das ok und eben einfach Teil der menschlichen Erfahrung. Peng, weißte Bescheid

  • Öhm, auch auf Gefahr hin, destruktiv zu sein:
    "An der Beziehung arbeiten" ist nur die Umschreibung eines verzweifelten Versuches, gegen das Unvermeidliche anzukämpfen. Nach 10 Jahren ist der Partner nicht mehr aufregend, man kennt sich. Es wird nie wieder kribbeln wie früher.
    Ich denke, da hilft auch das an sich selbst arbeiten nicht.


    Vor einer Weile war in der "Zeit" ein Artikel namens "Kein Talent zur Monogamie", der Studien aufzählt, nach denen Frauen in monogamen Beziehungen nach einigen Jahren (3-5 glaube Ich) automatisiert das sexuelle Interesse am Mann verlieren. Ich vermute, dass der Großteil der Beziehungen daran eingeht, dass die Sexualität zurückgeht. Das deckt sich meines Erachtens auch recht gut mit dem evolultionsbiologischen Modell: Die Frau brauchte einen Mann früher etwa 5 Jahre als Versorger, um ein Kind grob übern Berg zu bringen, dann konnte man der genetischen Variation wegen mit dem nächsten Mann das nächste Kind großziehen. Und meiner Beobachtung nach geht's mit den Paaren auch oft nach etwa drei Jahren den Bach runter, wenn der Hormoncocktail nachlässt.


    Ich denke nicht, dass "an sich selbst arbeiten" da etwas dran ändern kann.

  • Die eigenen Schwächen beleuchten und versuchen daran zu wachsen, den "schlechten Verhaltensweisen " des Partners nicht mehr durch Aufmerksamkeit nähren.
    Seine Leidenschaft finden und diese leben. Ich finde Peters Zitat sehr treffend " Frauen sind nur die Spitze des RIESEN EISBERGS" der sich Leben nennt.
    Wenn man das für sich erkennt, ist die Beziehung nicht mehr so wichtig und alles lockert sich.


    Das ist meine Eigene Erfahrung und das lege ich jeden ans Herz.
    Ich war früher der ärgste Spast und ich untertreibe noch nicht mal xD, ich hätte alles getan um mehr Aufmerksamkeit von einer Frau zu bekommen, alles was man falsch machen konnte tat ich. Von Schleimscheißerei bis zur Selbstsabotage, bekam nichts auf die reihe und mittlerweile betreibe ich Peters Sport schon 4 Jahre und es hat sich einiges, aber wirklich einiges geändert hahah, danke dafür!

  • "Ich passe auf mich auf für dich, wenn du auf dich aufpasst, für mich."
    In einem Satz alles gesagt, was Beziehungen glücklich macht. Ja, Verantwortung für sich selbst übernehmen in allen Lebenslagen ist der Schlüssel. Super kurz und bündig formuliert. Wow! Bin begeistert!

  • Uih, das unendliche Thema... Ist halt die Frage, was "Arbeiten" heisst. Für mich heisst das, in Kontakt sein. Und auch: Bedürfnisse artikulieren.
    Ansonsten sehe ich das Arbeiten in Beziehungen eher als Arbeit an mit.


    In meiner aktuellen Beziehung gabs Phasen, wo ich mich leer und unglücklich fühlte, weil in meinen Augen gewisse Bedürfnisse von mir nicht erfüllt wurden.


    Es sind allerdings Bedürfnisse, die ich auch bei Freuden habe: Ich will wissen wie es ihnen geht, in die Augen schauen, etwas mitbekommen.
    Meine engen Freunde erzählen meistens davon, wie es ihnen mit etwas geht, wie sie fühlen.
    Das schafft Verbindung und Freunschaft.


    Das war mir damals aber noch nicht so konkret klar.


    In der Partnerschaft ging das zeitweise verloren.
    Ich hab dann einige Versuche unternommen, mich besser zu fühlen. Einerseits bei mir selbst: Wieder einen Krafttraining-Vertrag gemacht... und auch in der Beziehung. Es war ein wenig Trial/Error, bis ich dann immer besser dahinterkam, was ich brauchte (siehe oben).


    Meine Partnerin war bereit, darauf ein zu gehen (sie ist eine tolle Frau) und nun fühle ich mich wieder sehr gut mit ihr. Es fällt mir schwer, das zu beschreiben: Bei mir war es hier ein Mangel an intensiver Beschäftigung miteinander. Jetzt nehmen wir uns an den Tagen, wo wir uns sehen, eine gewisse Zeit für uns: Dabei schauen wir uns an und erzählen uns gegenseitig, was uns bewegt. Für mich so wichtig, das lädt meinen "Tank" auf, das schafft Verbindung.


    Glücklicherweise sprach ich meine Partnerin schon intuitiv auf ihren "Kanälen" an, so dass sie sich die ganze Zeit sehr glücklich fühlte.


    Auch eine Sache: meine Partnerin erzählte Jedem, was sie toll an mir findet, nur ich wusste es nicht. Das war mir nicht so wichtig, aber nun hat sie es mir aufgeschrieben, und das ist schon toll.

  • Ich finde es nur immer schwierig, herauszufinden, wann ich an mir selbst arbeiten soll oder eben auch mal nicht...Ich arbeite eigentlich die ganze Zeit an mir, seit ich ausgezogen bin, habe viele Fortschritte gemacht und auch in den Beziehungen viel an mir gearbeitet und Komplexe, Ängste etc. abgelegt, um die Beziehung auf ein höheres Level gehen zu lassen. Hat auch funktioniert. Nur wie weit soll ich das treiben? Woran erkenne ich die Grenze, ob ich gerade versuche, mich nur krampfhaft anzupassen, um die Beziehung aufrecht zu erhalten oder ob es wirklich ein Schritt weiter ist? Wie sehr muss ich den anderen "in Ruhe" lassen, wie geduldig muss ich sein? Muss der andere auch was machen oder nicht? Was kann ich verlangen, was nicht?

  • ob man an sich arbeitet oder an der bezihung - total egal, nur eine sache der formulierung. der punkt ist: man muss wirklich aktiv etwas tun, wenn man eine beziehung aufrechterhalten will. ich sehe nichts schlechtes daran, wenn zwei möglichst lange zusammen bleiben wollen. sicherheit ist ein schönes gefühl. ich habe verschiedene erfahrungen gemacht, doch eine beziehung würde ich immer bejahen.

  • *Ich* hab keine Ahnung, wozu (Liebes-)Beziehungen da sind. Hatte ja noch keine ^^. Neurobiologisch betrachtet machen bedeutsame Beziehungen (im Allgemeinen, also nicht nur romantische Beziehungen) uns glücklich, weil wir Menschen als Primatenvolk halt (in der evolutionären Entwicklung entstandene) Gehirn-Basisstrukturen haben, die (im Falle eines "normal" funktionierenden Gehirns und einer "normalen", nicht-traumatischen Kindheit) aus Zwischenmenschlichkeit Glücksmomente generieren. Warum? Frag mich was leichteres. Heiß ich Eva Lotion?

  • Eine gelungene Beziehung kann auch bis zum leben sende halten wie bei meinen Großeltern und eltern und auch wenn es immer der selbe partner bleibt entwickelt man sich für sich weiter

    • Davon auszugehen, dass es ewig halten MUSS, obwohl die Statistik nun wirklich deutlich dagegen spricht, und dass es ansonsten schlimm oder gescheitert wäre, ist das Problem. Klar können Beziehungen auch lang halten. Würden sie wahrscheinlich auch noch viel eher, wenn die Leute davon (vom lange Halten) nicht so verdammt abhängig wären.

    • Ich sehe das genauso. Beziehungen werde heute so überbewertet. Die meisten versuchen doch eigentlich nur, das eigene Glück von anderen zu bekommen und machen sich damit unbewusst und emotional von anderen abhängig. Das kann ja gar nicht funktionieren. Das ist der Grund warum es so viele Beziehungsprobleme und so genannte Rosenkriege gibt.

    • Dito